Wardenburg „Zu dritt haben wir auf Tatianas Koffer gesessen, um ihn zuzubekommen“, lacht Willy Kayser. Der Wardenburger und seine Frau Edeltraud kennen dieses Ritual seit vielen Jahren. Wenn die Gäste aus Weißrussland nach drei Wochen ihre Heimreise antreten, dann sind nicht nur viele gespendete Kleidungsstücke im Gepäck, sondern auch kleine Andenken und Geschenke.
„Die Zeit ging wieder sehr schnell vorbei“, bedauert Tatiana Valchkova (37) einen Tag vor der Abreise im Garten der Eheleute Kayser, die seit sieben Jahren mit viel Herzblut die „Elterninitiative Tschernobylkinder Wardenburg“ am Leben erhalten. Die Deutsch- und Geschichtslehrerin Tatiana begleitet zum fünften Mal die Kindergruppe aus dem weißrussischen Bychov, die die Wardenburger Elterninitiative in jedem Sommer mit wechselnden Teilnehmern einlädt. 21 Kinder von neun und 14 Jahren waren diesmal auf mehrere Gastfamilien in der Region verteilt.
Inselfahrt kommt gut an
„Diesmal hatten wir auch mehrere russischstämmige Familien, was die Verständigung natürlich erleichtert“, freuen sich Edeltraud und Willy Kayser. Begleiterin Tatiana, die immer Quartier bei den Kaysers bezieht, durfte erstmals ihre Tochter Nastja mitbringen. „Mir hat die Fahrt nach Spiekeroog am besten gefallen“, sagen die Zwölfjährige und ihre Freundin, die ebenfalls Nastja heißt und zwölf Jahre ist. Die Mutter erklärt: „Wir haben bei uns kein Meer und darum sind viele noch nie Schiff gefahren.“
Das Gemeinschaftsprogramm war wieder abwechslungsreich, außer dem Inselausflug ging es in den Wild- und Freizeitpark Ostrittrum, mit dem Schlauchboot auf die Hunte und es wurde Seife hergestellt. Der Verein Kinderlachen Oldenburg hatte in den Jaderpark und zum Hüpfburgen-Festival eingeladen. Einige Gastfamilien fuhren außerdem zum Freibad und zum Kletterwald in Hatten.
„Es ist jedes Mal schön zu sehen, wie die Kinder hier aufblühen“, zeigt sich Willy Kayser begeistert. Viele Kinder seien – vermutlich als Spätfolgen der Tschernobyl-Katastrophe von 1986 – schmächtig und in ihrer Entwicklung verzögert, so wie der schüchterne Jegor, der mit seinen zehn Jahren deutlich jünger wirkt, und ein bisschen mit Heimweh zu kämpfen hat. Ein Kuscheltier aus dem Spendenfundus tröstet ihn. „Das legt er kaum mehr aus der Hand“, sagt Edeltraud Kayser.
Mädchen bevorzugt
Jegor ist der einzige Junge in der diesjährigen Gruppe. „Die meisten Familien wollen keine Jungs, weil die oft kleine Machos und die Mädchen pflegeleichter sind“, bedauern die Kaysers. „Wir würden gerne mehr Jungs einladen.“ Auch sei es ihnen bislang nicht gelungen, Landwirtsfamilien als Gastgeber zu finden. Dabei seien dort vielleicht gerade Jungen gut aufgehoben, weil es dort etwas zum Anpacken gebe.
Die Erwartungen der Gastfamilien seien leider manchmal zu hoch, so die Erfahrungen der Kaysers. Oft würden stete Fröhlichkeit und Dankbarkeit erwartet, aber es gebe auch schon mal Probleme, wie zum Beispiel mit einer 13-jährigen Bettnässerin, für die die Kaysers einen Urologen finden konnten, der bereit war, kostenlose medizinische Hilfe zu leisten.
Kaum hat sich am Dienstag der Bus auf seine mindestens 24-stündige Reise nach Bychov gemacht, treibt die Kaysers stete die Frage um: Finden wir auch für den nächsten Sommer genügend Gastfamilien, Spender und Unterstützer, damit wir Kindern aus der verseuchten und trostlosen Region um Tschernobyl eine dreiwöchige Erholung möglich machen können?
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